Tangelene Bolton

Zur Feier des 40. Geburtstags der TR-808 sowie des 808 Day hat sich Tadao Kikumoto exklusiv Zeit für ein Gespräch genommen.

— von Paul McCabe

Das Erbe japanischer Innovationskunst zieht sich durch die gesamte Musikinstrumenten-Industrie. Das Schaffen von Tadao Kikumoto während seiner jahrzehntelangen Arbeit für Roland ist ein Musterbeispiel für diesen tiefgreifenden Einfluss. Kikumoto-san ist ein profunder Kenner beider Welten – Musik und Technologie – und spielte eine zentrale Rolle im Forschungs- und Entwicklungsteam, das für die "Mid-O Series"-Modelle wie die DR-55, TR-808, TR-606, TB-303 und MC-202 verantwortlich zeichnete.

Doch Kikumoto-san ruht sich nicht einfach auf den Errungenschaften der Vergangenheit aus, sondern schöpft bis heute Inspiration aus den technologischen und industriellen Errungenschaften der zurückliegenden vier Jahrzehnte. Was sind seine weiteren Ziele? Nicht etwa die Entwicklung einer weiteren Drum Machine, sondern gleich eines kompletten Drum Synthesizers.

Zum 40-jährigen Jubiläum der Roland TR-808 konnten wir Tadao Kikumoto im exklusiven Interview einige Fragen stellen. Seine Einblicke in eine außergewöhnliche Epoche sind lebhaft und präzise – seine Worte gleichsam umsichtig und von großer Poesie.

Tadao Kikumoto

Die Kraft der Prozesse

Das Forschungs- und Entwicklungsteam der "Mid-O Series" orientierte sich während des Entwicklungsprozesses nicht an den aktuellen Markttrends. Wann wurde Ihnen der enorme Einfluss der Roland TR-808 bewusst?

Wir haben zunächst nichts vom musikalischen "Mid-O Fieber" [Anm. d. Redaktion: die weltweite Popularität der TR-808, TR-909, TB-303, etc.] in Europa und den USA mitbekommen. Erst 1992 erzählte uns ein gut informierter Kollege aus Übersee davon. Selbst Mr. K [Anm. d. Redaktion: Roland-Gründer Ikutaro Kakehashi] und die ganzen dortigen Abteilungen hatten bis dato nichts von dieser Underground-Szene mitbekommen.

TR-808

Welche ursprüngliche Vision stand hinter der TR-808?

Die Vorgabe von Mr. K und Don Lewis [Anm. d. Redaktion: Pionier der elektronischen Musik und seit jeher eng mit Roland verbunden] lautete, eine erschwingliche, realistisch klingende Drum Machine zu entwerfen. Ich schlug stattdessen vor, auf einen Drum Synthesizer anstelle einer teuren PCM-Machine [Anm. d. Redaktion: Pulse-Code-Modulation, ein sample-basiertes Verfahren] zu setzen. Die Basis des Projekts bildete die Roland CR-78.

"Wir haben zunächst nichts vom musikalischen "Mid-O Fieber" in Europa und den USA mitbekommen. Erst 1992 erzählte uns ein gut informierter Kollege aus Übersee davon."

Im Anschluss an das "Mid-O Series"-Projekt baute das Entwicklungsteam für Roland ein neues "Fundamental Research and Development Department" auf. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Nach der Veröffentlichung des letzten echten Mid-O-Instruments – der TR-909 – wechselten alle Mid-O-Entwickler in ein neues Labor mit dem Fokus auf Grundlagenforschung und -entwicklung. Dies passierte 1983 – dem Jahr, in dem Yamaha den DX-7 Synthesizer auf den Markt brachte. Zur gleichen Zeit begannen wir mit der Forschung an und Entwicklung von rein digitalen Instrumenten. Mr. K spielte in diesem Zusammenhang eine extrem wichtige Rolle.

Jeff Mills

Einfluss auf Künstler

An welche Künstler erinnern Sie sich besonders, die Ihre Erfindungen auf überraschende oder unerwartete Weise einsetzten?

Kurz vor der offiziellen Präsentation der TR-808 verlieh das Roland Japan Sales Department ein Exemplar an Yellow Magic Orchestra. Ich war sehr überrascht, als ich den 808-Sound in einer Radio-Übertragung ihre Live-Konzerts im Budokan in Tokio hörte.

Nach 1992 freute ich mich regelmäßig, wenn ich sah, wie Künstler im Studio an den Reglern unseres Instruments schraubten. Ich erinnere mich unter anderem an DJ Pierre mit einer TB-303 sowie an Jeff Mills mit einer TR-909. Ich war stets überrascht und glücklich.



Ich erinnere mich zudem an einen Hip-Hop-Produzenten – vielleicht war es Rick Rubin – der immer das Decay der 808 Kickdrum verlängerte. All diese Anwender konnten mit den Mid-O ihre kreativen Instinkte ausleben. Die Ergebnisse gingen teilweise in eine komplett andere Richtung als meine ursprüngliche Intention, doch der erweiterbare Decay-Regler war exakt dafür vorgesehen. Ich freute mich sehr als ich dies erfuhr, denn diese Idee fand damals nur wenig Unterstützung – mit Ausnahme von Mr. K.

Japanische Musikinstrumenten-Hersteller sind berühmt für ihre Innovationskraft und ihren hohen Qualitätsanspruch. Warum ist der japanische Ansatz besonders geeignet, Instrumente zu erschaffen, die von großer Dauer sind?

Ich denke, dies hat mit dem Bewusstsein der japanischen Menschen für Handwerkskunst und Zusammenarbeit zu tun.

Analog Mafia

Analog Mafia

Erbe und Zukunft

Was können Sie uns über die Entwicklung des RC-808 – Ihres neuen Projekts – erzählen? In welcher Weise korrespondiert der RC-808 mit ihrer ursprünglichen Vision für die Roland TR-808?

Als ich 1980 am MIDI-Protokoll mitschrieb, wunderte ich mich, warum die Rhythmus-Notation keine Werte für Gate Time und Tonhöhe beinhaltete – mit Ausnahme der offenen Hi-Hat. Ich schlug damals vor, Akkord-Melodie-Spuren für Rhythm Machines zu integrieren, doch die Idee setzte sich nicht durch. Mit dem RC-808 haben wir diese Idee erneut aufgegriffen. Jetzt gehören die Drumspur und die Bassline zur Akkord-Melodie-Spur.

Tatsächlich hatten wir vor, nach der MC-202 eine Roland TC-404 Chord Machine zu entwickeln, doch aufgrund der niedrigen Verkaufszahlen und des kommerziellen Misserfolgs der TB-303 gaben wir dieses Vorhaben schließlich wieder auf. Zudem erlaubte es die Technologie im Jahr 1980 nicht, einen analogen Drum Synthesizer zu entwickeln. Selbst mit modernster Technologie haben wir das Ziel bis heute noch nicht vollkommen erreicht. Wir würden uns freuen, wenn der RC-808 als Motivation für künftige Entwicklungen dient.



Wir wissen, dass Sie ein großer Bewunderer der Robotik sind. Gibt es noch weitere Projekte, an denen Sie arbeiten, die Sie gerne mit uns teilen möchten?

Silent Street Music ist ein neuartiges Musikexperiment, mit dem sich Live-Performances auf der Straße und ohne Lärmbelastung umsetzen lassen. SSM ist ein paralleles, auf mehreren Ebenen basierendes BYOD (Bring Your Own Device) Streaming/Broadcasting-Konzept. Wir hoffen, dass SSM mehr Menschen die Möglichkeit bietet, mit Hilfe von Musikinstrumenten ihre Kreativität auszuleben.



Roland möchte sich bei Kikumoto-san dafür bedanken, dass er seine Erinnerungen an die TR-808 anlässlich des 40-jährigen Jubiläums mit uns teilt. Wenn du mehr über Tadao Kikumoto und sein Schaffen erfahren möchtest, empfehlen wir dir einen Besuch auf der Re-Create the 808 Website und die Episodes of the Mid-O Series.