Im Interview: Jun-ichi Miki, CEO Roland Corporation
Eine der vielen Stärken von Roland zeichnet sich darin aus, dass der CEO und Präsident Jun-ichi Miki selbst Ingenieur und darüber hinaus ein leidenschaftlicher Synthesizer-Fan und Liebhaber elektronischer Musik ist. Im folgenden Interview spricht Mr. Miki über seine persönliche Vision eines Synthesizer-Traumstudios und die Inspiration, die unmittelbar zur Entwicklung der neuen Roland JUPITER-X-Serie führte.
WIE ENTSTAND DIE IDEE?
Miki:Vor knapp zwei Jahren dachte ich intensiv darüber nach, was ein echter „Game Changer“-Synthesizer von Roland wohl alles mitbringen müsste. Daraufhin sprach ich mit Profimusikern und Sounddesignern und fragte sie nach ihrem Lieblingssynthesizer, der aktuell erhältlich ist. Viele nannten den Moog ONE oder den Prophet X. Auf die Frage nach dem Warum sagten sie: „Damit lassen sich zwei verschiedene analoge Patches mit 16-stimmiger Polyphonie layern und massive Sounds erzeugen.“
Ab da war für mich die Idee eines neuen Roland-Synthesizers geboren, der so viele Patches wie vier Vintage-Synthesizer layern kann, jedoch mit erweiterter Polyphonie – zum Beispiel 32 Stimmen, falls möglich. Ich verfolgte die Idee weiter und wollte die analogen Vintage-Grenzen hinter mir lassen, um zusätzlich digitale Instrumente wie den XV-5080 und die RD-Pianos zu integrieren. Zudem sollte der Neue neben der erweiterten Polyphonie auch Mixing-Funktionen und hochwertige Outboard-Effekte beinhalten.
In der Software-Welt ist dies mit Plug-Ins auf einem PC oder Mac natürlich bereits möglich. Ich war jedoch überzeugt, dass ein einzelner, eigenständiger Hardware-Synthesizer mit fest zugeordneten Reglern und Slidern ein völlig anderes Erlebnis bieten würde – nicht zuletzt durch das schnelle Layern und Anpassen jeder beliebigen Kombination aus Synthesizer-Sounds und Effekten. Als Synthesizer-Fan war mir klar, dass all dies ein echtes Roland Game-Changer-Instrument wäre, dass ich selbst gerne besitzen würde.
JETZT IST DER JUPITER-X DA. SIND MOOG UND SEQUENTIAL NUN DIREKTE MITBEWERBER?
Miki:Moog ist Moog und Sequential ist Sequential. Jede Marke hat seinen ganz eigenen, unverkennbaren Charakter. Viele lieben Roland für seine äußerst warmen Pad- und Brass-Sounds. Moog und Sequential haben ebenfalls fantastische Signature-Patches, die wir über alles schätzen und respektieren. Aber die Antwort auf die Frage lautet: Ja. Auch wenn der JUPITER-X preislich niedriger angesetzt ist, wollen wir damit Musiker ansprechen, die sich auch für Moog und Sequential interessieren. Um ehrlich zu sein: Wir sind der Überzeugung, dass der JUPITER-X eine Vielzahl unterschiedlicher Synthesizer-Spieler überzeugen und zudem zahlreiche neue Roland-Fans gewinnen wird.
Selbstverständlich werden wir, wie man es von Roland kennt, den JUPITER-X in Zukunft noch weiterentwickeln. In dieser Hinsicht geht jeder Hersteller, darunter auch Moog und Sequential, seinen eigenen Weg. Ein Beispiel: Die ersten JUPITER-8 und JUNO-60 hatten kein MIDI, doch die Vorstellung, diese und andere Sounds über ein einzelnes Master-Keyboard layern zu können, war äußerst beeindruckend. Ein anderes Beispiel sind polyphone Versionen ursprünglich monophoner Synthesizer-Klassiker, wie des Roland SH-101.
DER KOMPAKTE JUPITER-XM FOLGT EINEM GANZ EIGENEN ANSATZ. WIE LAUTET DIESER?
Miki:Ich liebe es, mir in Gedanken mein perfektes Homestudio zusammenzustellen, mit all meinen Synthesizer-Lieblingen und Keyboards, die fertig verkabelt über professionelle Outboard-Effekte laufen und nur darauf warten, von mir gespielt zu werden. Die Wahrheit ist jedoch: Ich habe weder die Zeit, noch den Raum und erst recht keine Geduld, all diese Geräte zu sammeln, zu nutzen und in perfektem Zustand zu halten. Das ist ein Luxus, den sich nur wenige Enthusiasten mit ausreichend Zeit, Geld und den entsprechenden Räumlichkeiten leisten können.
Aus diesem Grund ist der JUPITER-Xm mein persönlicher Synthesizer-Traum. Der JUPITER-Xm wirkt manchmal wie eine Modul-Version mit den gleichen technischen Eigenschaften des größeren JUPITER-X – im Vergleich zu einem reinen Expander jedoch erweitert durch eine hochwertige Kompakttastatur, ein Audio Interface, integrierte Monitorlautsprecher und sogar optionalen Batteriebetrieb. Auf diese Weise kann ich mein Synthesizer-Traumstudio überall mit hinnehmen und spielen – am Esstisch, auf der Couch, im Hotelzimmer und sogar im Flugzeug. Ganz egal, wo ich bin: meine Sound-Lieblinge sind dabei und ich kann sie alleine spielen oder zum Komponieren am Laptop einsetzen.
ICH WAR ÜBERRASCHT, ALS ICH HÖRTE, DASS SIE SICH FÜR DEN JUPITER-XM VON EINER EINFACHEN UKULELE HABEN INSPIRIEREN LASSEN. STIMMT DAS?
Miki:Ja. Um ehrlich zu sein, habe ich lange Zeit nicht verstanden, warum die Ukulele so viele Fans hat. Vor kurzem war ich mit ein paar Freunden in einem vollgepackten Auto unterwegs und einer von ihnen brachte eine Ukulele mit. Wir machten Musik und hatten so viel Spaß auf der Fahrt. Dieses Erlebnis hat meine Meinung komplett geändert. So konnte ich aus nächster Nähe den Wert einer Ukulele als tragbares und sich selbst genügendes Instrument erleben. Eine Ukulele lässt sich überall mit hinnehmen, ist einfach zu spielen und durch und durch spontan. Sogar noch mehr als eine akustische Gitarre, die nicht nur größer ist und weniger stimmstabil, sondern auch mehr Fertigkeiten voraussetzt.
Im Zuge dieser Erkenntnis begann ich, noch tiefgreifender darüber nachzudenken, wie wir ein vergleichbares Level an Spontaneität auch für digitale Musikinstrumente wie den Synthesizer erreichen können. Aus den ersten Skizzen wurde schließlich der JUPITER-Xm. Der Fokus lag vor allem auf ganz einfachen Ideen: So sollte der Synthesizer nach dem Einschalten sofort spielbereit sein und keine weiteren Verbindungen benötigen.
In der R&D-Abteilung verstand zunächst niemand meine Passion für ein tragbares Synthesizer-Traumstudio. Erst mit dem ersten Prototypen wurde die Vision klarer. Mittlerweile haben wir im Unternehmen zahlreiche Fans dieses Konzepts.
WORAUF BASIERT DER FANTASTISCHE SOUND DES JUPITER-XM?
Miki:Wir investierten jede Menge Zeit und Geld in die Entwicklung eines neuen Systemchips namens BMC. Die Abkürzung steht für Behavior Modeling Core. Der BMC ist eine echte Roland-Eigenentwicklung und basiert auf zahlreichen DSP- und CPU-Kern-Blöcken sowie Hardware-Logik und ist außergewöhnlich leistungsstark.
Auf dem BMC läuft ZEN-Core, eine erweiterbare und individualisierbare Synthesizer-Engine, die das Herzstück der neuen JUPITER-, FANTOM- und GROOVEBOX-Instrumente bildet. Die Kombination aus BMC und ZEN-Core ist der Formel-1-Motor im Bereich der Klangerzeugung.
Grundlegend arbeitet der ZEN-Core mit PCM- und Virtual Analog-Technologie der nächsten Generation und setzt dabei auf fortschrittliche Funktionen wie neue Virtual Analog-Oszillatoren, präzise gemodellte Filter, extrem schnelle, geschmeidige Hüllkurven und LFOs, hochauflösende Parameter und eine flexible Erweiterbarkeit. Die JUPITER-X-Serie setzt auf Analog Behavior Modeling (ABM) als eine der ersten beiden produktspezifischen Erweiterungen für die Bass-Engine, auf der auch die Model Bank-Funktion basiert. Der Vollständigkeit halber: Die zweite ZEN-Core-Erweiterung ist V-Piano in den neuen FANTOM-Synthesizern.
DER AUFBAU DES JUPITER-X/Xm
Im Gegensatz zur Virtual Analog-Technologie des ZEN-Core reproduzieren die ABM-basierten „Model Bank“-Synthesizer des JUPITER-X und des Xm den Klangcharakter spezifischer Vintage-Synthesizer – darunter der JUPITER-8, JUNO-106, JX-8P und SH-101 – in beeindruckender Präzision. Dazu haben wir das Verhalten dieser Synthesizer hinsichtlich der Filterkurven, des Filterbereichs und der Ansprechgeschwindigkeit analysiert. Wie man sich denken kann, verhalten sich alle Synthesizer diesbezüglich unterschiedlich. Wir haben sogar den Oszillator-Drift auf Basis von Temperaturunterschieden nachgebildet, der über einen physisch vorhandenen Temperatursensor im JUPITER-X und Xm realisiert wird.
Ohne auf sämtliche Entwicklungsgeheimnisse eingehen zu können, an denen unsere Ingenieure über Monate und Jahre geforscht haben – ich hoffe, dies vermittelt bereits einen guten Eindruck von der enormen Leistungskraft der Klangerzeugung des ZEN-Core sowie der JUPITER-X und Xm Synthesizer. Zudem werden wir die aktuellen Model Bank-Instrumente stetig weiterentwickeln und in Zukunft komplett neue Modelle präsentieren.
Die erweiterbare ZEN-Core-Engine verkörpert das gesamte Synthesizer-Know-How von Roland und kann auf Basis der immensen Power des BMC-Chips mehrere Synthese-Arten gleichzeitig und in Echtzeit berechnen, darunter auch produktspezifische Erweiterungen und DSP-Effekte. Das ist wahrhaftig ein Meilenstein.
WIE UNTERSCHEIDET SICH DAS ANALOG BEHAVIOR MODELING HINTER DEN „MODEL BANKS“ DER JUPITER-X-SERIE VOM RENOMMIERTEN ROLAND ANALOG CIRCUIT BEHAVIOR-ANSATZ?
Miki:Eine sehr gute Frage! ACB ist bis dato unser bekanntestes Analog Modeling-Konzept und bezieht sich auf das Simulieren analoger Schaltungen in den Roland Vintage-Synthesizern. Aufgrund der benötigten, immensen Rechenleistung eignet sich ACB perfekt für monophone und polyphone Einzelsounds sowie einfache Layer. Analog Behavior Modeling verfolgt einen anderen Ansatz und modelliert die wichtigsten Elemente, die den Charakter zahlreicher Analogsynthesizer ausmachen. Zudem ermöglicht ACB wesentlich mehr Polyphonie und damit deutlich komplexere Performances mit mehreren Layern. Ganz gleich, welche Technologie man nutzt: Sowohl ACB als auch das neue ABM im ZEN-Core klingen fantastisch. Hier entscheidet lediglich die persönliche Vorliebe.
WARUM WURDEN ZUSÄTZLICH BLUETOOTH, EIN AUDIO INTERFACE UND LAUTSPRECHER INTEGRIERT?
Miki:Wie bereits erwähnt, war meine ursprüngliche Idee die Umsetzung meines persönlichen, integrierten Synthesizer-Traumstudios, das ich überall mit hinnehmen kann und das jederzeit ohne Kompromisse einsatzbereit ist. Um diesen Traum zu realisieren, musste mein Traum-Synthesizer eine Controller-Tastatur mit herausragendem Spielgefühl bieten, zudem integrierte Referenzlautsprecher, einen Mixer mit hochwertigen DSP-Effekten, ein Audio Interface zur Einbindung in meine DAW und nicht zuletzt den kabellosen Anschluss meines Equipments ermöglichen – vereint in einem Gerät. Mit dem JUPITER-Xm konnten wir all dies umsetzen.
KÖNNEN SIE UNS MEHR ÜBER DIE INTEGRIERTE KABELLOSE KONNEKTIVITÄT ERZÄHLEN?
Miki:Mit der Integration von Bluetooth wollten wir die Einbindung von externem Equipment und Computern bei der neuen JUPITER-X-SERIE so einfach wie möglich gestalten. Durch die kabellose Verbindung des JUPITER-Xm mit einem Smartphone oder Tablet können Anwender zu gestreamten Songs aus ihrer Musikbibliothek oder via YouTube spielen und alles über die integrierten Referenzlautsprecher abhören. Wir haben mit vielen Synthesizer-Profis gesprochen und die meisten haben Backing-Tracks auf ihrem Smartphone. Ab sofort lassen sich diese noch komfortabler wiedergeben. Darüber hinaus haben wir auch Bluetooth MIDI integriert. So lässt sich der JUPITER-X als Controller für Musikproduktions-Apps wie das neue Roland Zenbeats auf Mobilgeräten oder einem PC verwenden.
AUCH DIE I-ARPEGGIO-FUNKTION DÜRFTE EINZIGARTIG SEIN...
Miki:Als wir das Gesamtkonzept des JUPITER-X entwickelten, wollten wir ein Tool bzw. eine Funktion hinzufügen, mit der sich einzigartige Synthesizer-Performances erstellen lassen und die ebenfalls beim Sounddesign nützlich ist. Ein umfassender Sequencer oder eine Aufnahmefunktion für Kompositionszwecke standen nicht zur Debatte, also konzentrierten wir uns auf die einfache und effektive Integration in eine DAW.
Im Zuge dessen erinnerten wir uns an den Arpeggiator des originalen JUPITER-8. Obwohl dieser recht einfach aufgebaut war, machte er riesigen Spaß und bot jede Menge Inspiration – nicht zuletzt, da man mit beiden Händen an den Sounds drehen konnte, während die Noten abgespielt wurden. Der Arpeggiator ist auf zahllosen berühmten Pop-Hits zu hören. Dies war auch der Grund, warum wir die i-ARPEGGIO-Funktion in Zusammenarbeit mit der Meiji University in Japan entwickelten. i-ARPEGGIO wendet künstliche Intelligenz auf die gespielten Noten an, um einzigartige Drum-, Bass- und Akkordparts sowie arpeggierte Melodien in Echtzeit zu erzeugen, die sich leicht in eine App wie Roland Zenbeats und nahezu jede DAW übertragen lassen. Der Arpeggiator ist ein fantastischer Ideengenerator und lässt sich ideal in Live-Performances einsetzen. Es macht enorm viel Spaß, damit zu experimentieren.
DER NAME JUPITER WECKT BEI SYNTHESIZER-FANS EINE GANZ BESTIMMTE ASSOZIATION. WARUM HABEN SIE SICH ENTSCHIEDEN, IHN AUCH FÜR DIE NEUEN SYNTHESIZER ZU VERWENDEN?
Miki:Jede Epoche hat ihren führenden Roland Performance-Synthesizer. Und dieser trägt immer den Namen JUPITER. Wenn wir den JP-8000 und den JP-8080 mitzählen, kommen wir auf bislang sieben JUPITER-Modelle. So war es nur folgerichtig, auch die aktuellen Instrumente unter dem JUPITER-Label zu führen.
Wir sind uns bewusst, dass Synthesizer-Fans insbesondere den JUPITER-8 besonders schätzen und viele auf eine neue, komplett analoge Version warten. Dies wird jedoch nicht passieren. Unser Gründer Mr. Kakehashi sagte immer: „Jage niemals einem Geist hinterher“ – ich verstehe genau, was er damit gemeint hat. Es ergibt keinen Sinn, den „Geist“ des originalen JUPITER-8 oder der TR-808 zu jagen, da wir ihn niemals einfangen könnten. Dies entspricht einfach nicht unserer Zukunftsvision. Roland hat in seiner langen Historie zahlreiche legendäre Produkte entwickelt – und der Antrieb war stets, die Zukunft zu gestalten, indem wir die aktuellste Technologie einer jeden Epoche mit unserem einzigartigen Know-How kombinierten. Das war, ist und wird auch in Zukunft unsere DNA sein.
WAS WÜRDEN SIE DEN LESERN ZUM SCHLUSS GERNE NOCH MIT AUF DEN WEG GEBEN?
Ich hoffe, dass jeder Synthesizer-Fan die Gelegenheit findet, einen Musikladen aufzusuchen und den JUPITER-X sowie den JUPITER-Xm einmal selbst anzuspielen. Selbst die tollen Demovideos können nicht in Gänze vermitteln, wie leistungsstark die Synthesizer sind, welche musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten sich mit ihnen ergeben und wie viel Spaß es macht, den JUPITER-Xm zu spielen. Jeder, der ihn mit seinen eigenen Händen anfassen und zuhause spielen kann, wird zustimmen, dass er die Art und Weise verändert, wie wir Sounds bearbeiten – überall und zu jeder Zeit.
Zum Schluss: Verfolgt die JUPITER-X Story weiter, denn wir planen, beide Modelle in Zukunft auf interessante Weise zu erweitern.
Vielen Dank für die anhaltende Unterstützung und das Vertrauen in Roland.
Jun-ichi Miki
CEO, Roland corporation