Musikvideo-Produktion in Zeiten von Covid: Oli Kane im Interview

Stell dir vor: Du wirst beauftragt, ein Video zu produzieren, um ein Drumkit vorzustellen. Der Plan steht, alle Beteiligten sind gebucht, doch es gibt ein Problem – eine Pandemie.

 
In dieser Situation befand sich Oli Kane, der Videograf, der das Roland V-Drums Acoustic Design VAD506 Kit vorstellen sollte.
 
Wir haben mit Oli gesprochen und ihn gefragt, wie er mit dieser komplett neuen, unvorhersehbaren Lockdown-Situation umgegangen ist und ob sich die Videografie durch die Pandemie nachhaltig verändert hat.
 
Hier geht es zum Video mit der Performance von Oli Wiseman
 

 

Das Konzept
Wie sah die grundlegende Idee für das Projekt aus?
 
"Das Konzept war, ein Video mit dem Anne-Marie Schlagzeuger Oli Wiseman zu machen, in dem er das VAD506 Kit spielt. Alle beteiligten Personen arbeiteten aus der Ferne."
 
"Wir wollten das Kit in einer Live-Umgebung zeigen und begannen, den Promo-Film Lockdown-konform zu konzipieren. Am Anfang fühlte es sich umständlich an, die Regeln zu integrieren, doch dann verselbstständigte sich der Prozess und wurde schließlich zu einer "Ode an den Lockdown". Zunächst war die Situation ein notwendiges Übel, am Ende ein integraler Bestandteil des Projekts."
 

Der Prozess verselbstständigte sich... es wurde eine "Ode an den Lockdown".

 
Wie seid ihr vorgegangen? Wie erstellt man eine solche Produktion in einer derart herausfordernden Zeit?
 
"Wir haben viel telefoniert und hin und her geschrieben. Da wir aufgrund der Kontaktbeschränkungen keine richtige Live-Produktion machen konnten, mussten wir die Musiker getrennt voneinander aufnehmen. Im Mittelpunkt stehen die Drums. Hinter Oli befindet sich ein großer Bildschirm, auf dem alle anderen spielenden Musiker zu sehen sind."
 
"Wir wollten für das Video und den Song ein Live-Gefühl vermitteln. Dafür durfte die Produktion nicht zu perfekt und poliert werden.  Sowohl die Optik als auch der Sound des Kits sind sehr authentisch. Genau das wollten wir einfangen."
 
"Der erste Schritt war die Produktion des Tracks, den Oli (Wiseman) gemeinsam mit einem Produzenten aus Frankreich erstellt hat. Oli hat alles Zuhause eingespielt, direkt aus seinem Kit in den Laptop. Der Produzent hat die Aufnahmen anschließend gemischt."
 
"Danach buchten wir Session-Musiker, die ihre Parts lernten und diese für sich im Studio einspielten. Diese Takes wurden dann auf dem Bildschirm hinter Olis Drumkit angeordnet und für die Schlagzeugaufnahme abgespielt."
 
"Während der gesamten Vorproduktion sind sich die Musiker kein einziges Mal begegnet.  Ich war überrascht, wie gut dies funktionierte."


 

 
Erfahre im ersten Teil, wie Oli Wiseman die Spuren für das VAD506 Promo-Video aufgenommen hat.
 

 
Die Videoproduktion
 
Wo habt ihr das Video aufgenommen?
 
Im Ropetackle in Shoreham. Ein von einer Kunststiftung gefördertes Musikzentrum. Die Verantwortlichen haben uns sehr geholfen, sämtliche Sicherheitsvorkehrungen für uns getroffen und die Produktion so enorm vereinfacht. Normalerweise finden hier Konzerte statt, doch wir konnten dort auch aufnehmen."
 

 
Was sind die größten Herausforderungen für einen Videografen in einer Pandemie?
 
"Es gibt viele Herausforderungen, überwiegend unvorhersehbare Situationen. Für dieses besondere Projekt mussten wir mit einer viel kleineren Crew auskommen. Insgesamt haben wir mit sieben bis acht Personen an zwei Produktionstagen gearbeitet. 
 
"Normalerweise umfasst ein Team für eine vergleichbare Produktion mindestens 20 Personen, die alles aufbauen, einrichten und testen, bevor wir mit der Aufnahme beginnen. Die Reduzierung war notwendig, um die Regeln einzuhalten, doch wir haben uns reingehangen und das Video in kürzester Zeit fertiggestellt."
 
Mit welchem Equipment habt ihr gearbeitet?
 
"Für den Dreh verwendeten wir eine Arri Alexa Mini Kamera, ein Dolly-System sowie Zeiss Superspeed-Objektive. Wir kombinierten Freihandaufnahmen mit Totalen auf dem Dolly."
 
"Filmkameras sind teuer in der Miete. Deshalb haben wir uns auf eine Hauptkamera beschränkt und mit verschiedenen Einstellungen und mehreren Takes gearbeitet. Als der Haupttake im Kasten war, haben wir noch einige Takes mit kurzen künstlerischen Einstellungen gemacht. Obwohl wir ein durchgehendes Live-Feeling vermitteln wollten, braucht es manchmal ein paar mehr Einstellungen, um das Ergebnis interessanter zu gestalten. Dies ist ein typischer Ansatz."


 
Wie habt ihr die Bildschirme eingesetzt? Sind das Green Screens?
 
"Wir haben uns diese Lichtpanels im Tetris-Stil von der Firma Video Illusions besorgt. Eigentlich wären die Screens in diesem Jahr auf dem Boomtown-Festival zum Einsatz gekommen, doch wir hatten Glück und konnten sie für unser Projekt leihen."
 
"Es sind keine Green Screens und auch keine Bildschirme, sondern 30 x 30 cm große quadratische LED-Screens. Man kann sie zusammenstecken und so jede beliebige Form bauen. Im Anschluss kann man entweder Inhalte darüber abspielen oder die Elemente als Lichtquelle nutzen. Das war wirklich interessant. Die Aufnahmen der anderen Bandmitglieder mussten geteilt werden, um das Spacing zu justieren. Ich erstellte ein Gitter und konnte so jeden Musiker in den jeweiligen Bildschirm einpassen. Vergleichbar mit einer Schablone, die man mit Inhalten füllt."
 

Das Bildschirmgitter für Oli
 
Der Ort, an dem wir drehten, machte es schwierig, Tiefe und Erhabenheit zu vermitteln. Es war unmöglich, die Hintergründe verschwimmen zu lassen. Also staffelten wir diese in verschiedenen Abständen zur Kamera, um dieses schöne, schwebende 3D-Gefühl zu erzeugen. Auf diese Weise konnten wir zudem ein paar dezente Effekte für mehr Tiefe einbauen."
 

 
Wie lange dauerte es, die Inhalte zu filmen und zu bearbeiten?
 
"Wir brauchten rund vier Tage für die Aufnahmen mit Oli. Leider hatten wir Probleme mit der Kamera, die für Verzögerungen sorgten. Die Arri Alexa Mini Kamera ist eigentlich dafür bekannt, niemals auszufallen. Doch gerade bei unserem Dreh ist es passiert. Am Ende war jedoch auch dies nur eine weitere Herausforderung. Wir mussten den Dreh unterbrechen, um Ersatz zu besorgen. Jedoch schafften wir es, alle Aufnahmen an einem Tag abzudrehen. Am Tag zuvor konnten wir den Rest einrichten und die anderen Musiker aufnehmen."
 
Wie lief das Editing?
 
"Für den Schnitt habe ich ungefähr eineinhalb Tage gebraucht. Ich wollte sichergehen, dass ich die passenden Übergänge an den jeweiligen Stellen habe, deshalb hat es etwas länger gedauert als sonst. Wie beim Song selbst, wollten wir auch für das Video das Feeling einer Bühne bewahren, weshalb ich die Bearbeitung auf ein Minimum beschränkt habe."
 
"Das Colorgrading hat eine Weile gedauert. Ich wollte einen Look wie in Tenet erreichen, mit dieser türkisgrünen Tönung im Zusammenspiel mit der Beleuchtung. Auf diese Weise erhält das Bild eine zusätzliche Stimmung und Tiefe."
 

 
Abschließende Bemerkungen
 
Ist dies das ungewöhnlichste Musikvideo, das du jemals produziert hast? 
 
"Ungewöhnlich trifft es nicht ganz. Es war definitiv eine Herausforderung und eine interessante Erfahrung, mit unterschiedlichen Teams und Teamgrößen zu arbeiten und dabei die Corona-Regeln einzuhalten. Letztendlich hat all dies dem Video jedoch eine ganz eigene Note verliehen. Es ist eine neue Art des Arbeitens angesichts der aktuellen Situation."
 
Wie hältst du von den V-Drums Acoustic Design Kits?
 
"Die Möglichkeiten sind unglaublich. Ich spiele selbst in einer Band und habe bereits vorher Drums aufgenommen. Ich war überrascht, wie einfach es in einem Projekt wie diesem gehen kann. Es gab mehrere Momente, bei denen wir uns dachten: "Wow, ich wusste nicht, dass dies möglich ist."
 
"Das Kit benötigt nur ein einzelnes Kabel nach draußen, was uns das Leben enorm vereinfacht hat. Da es sich nicht um ein akustisches Schlagzeug handelt, haben wir viel Zeit beim Monitoring und Aufnehmen gespart. Wir mussten keine Klangbestandteile herausschneiden und brauchten uns überhaupt nicht darum zu kümmern. Das hat das Arbeiten enorm vereinfacht."
 

"Es wird immer mehr junge Musiker geben, deren Karriere nur noch online abläuft."

 

 
Glaubst du, dass dieser kollaborative kreative Ansatz in der heutigen Zeit, in der die ganze Welt online ist, immer mehr Verbreitung findet?
 
"Es gibt bereits zahlreiche Musiker, die diesen Weg der Zusammenarbeit eingeschlagen haben. Man braucht nicht den kompletten Schnickschnack oder die beste Ausrüstung, um Zugang zu finden. Man kann einfach Leute ansprechen und fragen, ob sie an einem Track mitarbeiten wollen, über kostenlose Videosoftware etwas aufnehmen und auf diese Weise ein wirklich überzeugendes Ergebnis erzielen."
 
"Natürlich gibt es auch noch normale Drehs, doch angesichts der geltenden Hygienevorschriften ist das ein logistischer Albtraum. Doch die Leute passen sich an und gehen kreativ mit diesen Einschränkungen um."
 
"Es gibt so viele Künstler, die aktuell an Projekten arbeiten. Es wird immer Live-Konzerte geben. Doch die Zahl der jungen Leute, die ihre Karriere komplett online verfolgen, wird massiv zunehmen. Ob als Musiklehrer, zum Aufnehmen, für Workshops und Schulungen – als erfolgreicher Musiker muss man heute nicht einmal mehr das Haus verlassen. Du kannst praktisch jeden Musiker kontaktieren und mit ihm zusammenarbeiten oder etwas wie einen Twitch-Stream starten, um Interesse zu wecken. Die Tools sind da und sie werden auch genutzt."
 
"Ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass es immer wichtig sein wird, sich in der Realität zu treffen und gemeinsam Musik zu machen. Ich glaube nicht, dass sich das jemals ändern wird... doch gerade jetzt sollten kreative Menschen aufeinander zugehen und zusammenarbeiten... Ideen, Bilder und Videos austauschen, Songs mit einem Click-Track erstellen, um das Tempo zu halten und einfach loslegen."
 
Erfahre mehr über Oli Kane
Instagram
Webseite
 
Fotos mit freundlicher Genehmigung von: @iancoulsonmedia